Außergerichtliche Beschwerdemechanismen im Feld Wirtschaft und Menschenrechte
Zielsetzung und Gegenstand des Forschungsprojektes
Von Januar 2020 bis Juli 2021 arbeiteten wir als Forschungsteam der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) unter der Leitung von Prof. Dr. Ulla Gläßer im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz an einem Forschungsprojekt, in dem das Potential von ADR für die Gestaltung von nicht-staatlichen außergerichtlichen Beschwerdemechanismen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen entlang globaler Lieferketten untersucht werden sollte.
Ausgehend von der Analyse ausgewählter bestehender Beschwerdemechanismen entwickelten wir zunächst ein differenziertes System von Gestaltungskategorien auf den Ebenen der Institutionalisierung, Implementierung, Verfahrensausgestaltung und Entwicklung eines lernenden Systems. Entlang der Effektivitätskriterien der UN Guiding Principles for Business and Human Rights (UNGP) ermittelten wir anschließend gute Ansätze aus der Praxis der untersuchten Mechanismen und führten Interviews mit Expert*innen aus Unternehmen, Gewerkschaften, NGOs und verfahrensanbietenden Institutionen.
Ein besonderer Fokus lag dabei auf den Möglichkeiten der Nutzung alternativer Streitbeilegungsverfahren unter Berücksichtigung gravierender struktureller Machtungleichgewichte zwischen den Konfliktparteien. Der gezielte Erkenntnistransfer aus der etablierten Praxis deutscher Verbraucherschlichtungsstellen förderte wertvolle Erkenntnisse insbes. zu den Fragen der Institutionalisierungsmöglichkeiten und der Qualitätssicherung von ADR-Angeboten zu Tage.
Auf dieser Grundlage entwickelten wir das Integrative Grievance System (IGS) als prototypisches Modell, in dem praxisorientierte Empfehlungen für die Gestaltung unternehmensübergreifender, außergerichtlicher Beschwerdemechanismen im Feld Wirtschaft und Menschenrechte gebündelt werden.
Insgesamt soll der Forschungsbericht deutlich machen, dass effektive Beschwerdemechanismen integrale Bestandteile von (Regulierungs-)Ansätzen zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen entlang von globalen Wertschöpfungsketten sein sollten.
Der Volltext des am 20. September 2021 veröffentlichten Forschungsberichtes sowie eine kompakte Executive Summary stehen Ihnen auf der Website des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Download zur Verfügung.
Auf folgenden Veranstaltungen wurde das Forschungsprojekt bislang vorgestellt und diskutiert:
- Sitzung der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Menschenrechte BMAS, 14. Januar 2020
- Branchendialog der Automobilindustrie, Arbeitsgruppe "Aufbau eines UBM in der Automobilindustrie", 24. Juni 2020
- Stakeholder-Konferenz des BMJV "Potential alternativer Streitbeilegung bei Menschenrechtsverletzungen im Verantwortungsbereich von Unternehmen", 14. September 2020
- Internationale Konferenz des BMAS "Globale Lieferketten - Globale Verantwortung. Menschenrechte und gute Arbeit in globalen Lieferketten", 6. und 7. Oktober 2020
- Europarats-Workshop "Environment, Human Rights and Business: a framework for addressing environmental protection challenges", 27. April 2021
- Interministerieller Ausschuss für Wirtschaft und Menschenrechte (IMA), 26. Oktober 2021
- Öffentliche Online-Präsentation des Forschungsberichts in englischer Sprache (Veranstalter: BMJV), 10. November 2021
- AG Wirtschaft und Menschenrechte, 11. November 2021
- Begleitgruppe zur Umsetzung des Schweizer Nationalen Aktionsplans (NAP) «Wirtschaft und Menschenrechte» durch das Eidgenössische Departement für Äussere Angelegenheiten (EDA) und das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, 18. November 2021
- Forum Nachhaltiger Kakao, 20. Januar 2022
- Texas A&M University School of Law, Dispute Resolution Symposium – “ADR Works-in-Progress”, 5. März 2022
- Bündnis für nachhaltige Textilien, 10. März 2022
- Experten-Workshop "Beschwerde und Abhilfe in Leder-, Lederwaren- und Schuhlieferketten", 28. März 2022
- TMC Asser Expert Meeting on Business and Human Rights Arbitration, Den Hague, 12. April 2022
- Fachtagung Branchendialog Automobilindustrie, Berlin, 27. September 2022
- Arbeitstreffen zur Diskussion des Integrated Grievance System mit Vertreter:innen der indischen NGOs CIVIDEP und Society for Labour and Development (SLD) am 22. November 2022 in Berlin
- Bucerius Mediation Competition 2022, 25. November 2022 in Hamburg (online)
- Arbeitstreffen zur Diskussion des Integrated Grievance System mit Vertreter:innen der UNI Global Union, 5. Dezember 2022
Folgende weitere Publikationen haben wir im Themenfeld des Forschungsprojektes verfasst:
- Wenzel, Nicola / Dorn, Jenny: Wirtschaft und Menschenrechte – ein neues Anwendungsfeld für ADR? ZKM 2/2020, S. 50-54
- Gläßer, Ulla / Kück, Claudia: The Hague Rules on Business and Human Rights Arbitration - A Balancing Act, SchiedsVZ 3/2020, S. 124-133
- Gläßer, Ulla / Pfeiffer, Robert / Schmitz, Dominik / Bond, Helene: Außergerichtliche Beschwerdemechanismen entlang globaler Lieferketten. Bericht über ein Forschungsprojekt, ZKM 6/2021, S. 228-233
- Gläßer, Ulla / Pfeiffer, Robert / Schmitz, Dominik / Bond, Helene, Das Integrative Grievance System – ein Modell für die effektive Gestaltung und Implementie-rung außergerichtlicher Beschwerdemechanismen entlang globaler Lieferketten, Rethinking Law 2/2022, S. 68 ff.
- Gläßer, Ulla / Bond, Helene: Ein Beschwerde- und Abhilfesystem innerhalb transnationaler Lieferketten. Fokus: Leder, Lederprodukte und Schuhe Hrsg: INKOTA-netzwerk e.V. 2022
- Gläßer, Ulla / Bond, Helene: Working Paper: An Effective System for Grievances and Remedy in Transnational Supply Chains. Focus: Leather, leather products and footwear Hrsg: INKOTA-netzwerk e.V. 2022
- Gläßer, Ulla / Kühn, Katharina, Kommentierung von § 8 LkSG, in: Henn, Elisabeth / Jahn, Jannika (Hrsg.), Beck-OnlineKommentar zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (erscheint Januar 2023)
In diese Lehrveranstaltungen ist das Forschungsprojekt bislang eingeflossen:
- Vorlesung "Menschenrechtsverletzungen im Verantwortungsbereich deutscher Unternehmen - Potential und Grenzen von gerichtlichem Rechtsschutz und außergerichtlichen Verfahren" (Prof. Ulla Gläßer) an der Europa-Universität Viadrina, Sommersemester 2020
- Vorlesung "Außergerichtliche Streitbeilegung – Verfahrensarten im Überblick" (Prof. Ulla Gläßer) an der Europa-Universität Viadrina, Sommersemester 2021
- Schule des deutschen Rechts (Robert Pfeiffer und Dominik Schmitz), Europa-Universität Viadrina/AMU Poznan, Sommersemester 2021
Kommentare, Rückmeldungen und weiterführende Gedanken zu unseren Forschungsergebnissen sind uns per E-Mail an ADR@europa-uni.de sehr willkommen.