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Erfahrungsbericht Soldan Moot Court 18

Die universitäre Ausbildung bis zur Ersten Juristischen Staatsprüfung hat – anders als beispielsweise in rechtswissenschaftlichen Studiengängen in den USA – noch immer nur geringen Praxisbezug. Der Hans-Soldan Moot-Court hat es sich zum Ziel gesetzt, die Lücke zwischen Theorie im Studium und Praxis in der Rechtsanwendung zu schließen. Durch einen simulierten Gerichtsprozess vor dem Landgericht Hannover wird den Studierenden nicht nur Abwechslung vom klassischen Studium geboten, sondern auch erste Einblicke in die Arbeit einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts ermöglicht. Unser Einblick in die Rechtspraxis begann mit der Ausgabe der Fallakte zum Soldan-Moot 2018 am 5. Juli 2018. Während man es im Studium gewohnt ist, anhand eines abgeschlossenen Falles ein Rechtsgutachten zu erstellen, hieß es für uns zunächst Fallakte lesen und den Sachverhalt ermitteln. Die Fallakte bestand aus gerichtlichen Verfügungen, E-Mails und Briefe der Parteien, Verträgen und Gutachten. Nach der ersten Sichtung der einzelnen Dokumente, ordneten wir die Geschehnisse zeitlich ein, sortierten unwichtige Informationen aus und erhielten dann unseren Sachverhalt, der uns bis Oktober von nun an begleiten sollte. Darauf folgten die beiden Schriftsatzphase: Auf Grundlage des Sachverhaltes verfassten wir zunächst die Replik – der Schriftsatz aus der Sicht des Klägers. Nach vier Wochen wechselten wir die Seite und verfassten die Duplik – der der Schriftsatz aus der Sicht des Beklagten. In mehrere kleinen Gruppen eingeteilt, recherchierten wir zu Teilaspekten des Falles, wälzten zahlreiche Kommentare und Gerichtsurteile und verfassten Vorschläge für den Schriftsatz. Bei unseren wöchentlichen Treffen werteten wir die Recherchearbeiten und Schriftsatzvorschläge aus, tauschten Hinweise und Tipps aus und erhielten unseren „Arbeitsauftrag“ für die nächste Woche. Auch bei der Fallbearbeitung wurde wieder der Unterschied zwischen Theorie des rechtswissenschaftlichen Studiums und rechtswissenschaftlicher Praxis deutlich. Während es im Studium darum geht, ein möglichst neutrales Gutachten zu erstellen, das die verschiedenen Meinungsstreitigkeiten objektiv darstellt, wurden in den jeweiligen Schriftsätzen ausschließlich die Argumente angeführt, die die Sicht der jeweiligen Partei stützten. Darüber hinaus spielt in der Praxis die Beweisfähigkeit eine große Rolle. So konnten wir uns nur auf die Argumente stützen, welche wir auch vor Gericht beweisen können. In unseren Sachverhalten im Studium erhalten wir meist bereits festgelegte Tatsachen, die keiner anzuzweifeln hat. In den Schriftsätzen und dann später in der mündlichen Verhandlung, wurde der Parteivortrag sehr oft in Frage gestellt und bestritten. Im Anschluss an die Schriftsatzphase folgte die Vorbereitung auf die mündlichen Verhandlungen in Hannover. Eingeteilt in Klägerseite und Beklagtenseite tauschten wir in zahlreichen simulierten mündlichen Verhandlungen unsere Argumente aus und stritten vor Gericht für unsere Partei. In diesem Jahr hatten wir zudem die große Ehre, im Landgericht Frankfurt (Oder) die mündliche Verhandlung zu simulieren. Unter der Leitung von Frau VRinLG Behnert sowie von Herrn VRLG Gömann erhielten wir zweimal die Gelegenheit, eine echte Gerichtsverhandlung zu simulieren. Darüber hinaus konnten wir von den Richtern wertvolle Tipps für unsere mündliche Verhandlung sammeln und erhielten aus der Sicht eines Vorsitzenden Richters eine Einschätzung zu unserem Fall. Am frühen Morgen des 29. Septembers machten wir uns außerdem auf den Weg nach Hamburg an die Bucerius Law School. Diese hatte in Vorbereitung zum Moot-Court in Hannover zum sog. Pre-Moot-Court geladen. Zahlreiche Universitäten aus ganz Deutschland folgten der Einladung zu dieser Vor-Veranstaltung zum Moot-Court. Für uns war es das erste Mal, dass wir gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer anderer Universitäten die mündliche Verhandlung simulierten. Dementsprechend aufgeregt waren wir, als wir auf die Kläger- und Beklagtenteams der anderen Universitäten trafen. Jetzt hieß es spontan und kreativ zu sein, um auf Argumente der Gegenseite einzugehen, die wir vorher noch nie gehört hatten. Insgesamt konnten wir von dieser Veranstaltung sehr viele Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen mit nach Hause bzw. zum Moot-Court nach Hannover nehmen. Schließlich begann der Hans-Soldan-Moot Court 2018 am 11. Oktober. Nachdem wir morgen mit dem ICE angereist waren und unser Hostel bezogen, trafen wir am frühen Abend auf alle Teams bei der 6. Hannoversche Anwaltskonferenz, die den Soldan Moot einleitet. Die Konferenzsprecher Dr. Christian Deckenbrock, Prof. Dr. Christian Wolf, Tobias Freudenberg, RAinuNin Edith Kindermann, Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Bornkamm und Prof. Dr. Stephan Lorenz referierten zu Themen, die sich auf den Moot-Court-Fall bezogen. Mit einem Begrüßungsabend klang der erste Tag in Hannover aus. Der Freitag stand ganz im Zeichen der mündlichen Verhandlungen. Jeweils zwei Verhandlungen führten wir gegen die Teams anderer Universitäten. Dabei traten wir gegen Teams der Universität Köln, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie gegen die Universität Bielefeld an. In den Verhandlungen konnten wir unsere Argumentationsfähigkeiten, Rhetorik und Schlagfertigkeit messen. Verhandelt wurde vor einem Einzelrichter oder Einzelrichterin sowie zwei Juroren, die unsere Leistung an Hand von 0 – 18 Punkten bewerteten. Es blieb aber auch genug Zeit, sich Verhandlungen anderer Teams anzuhören. Ausklang fand der Tag mit dem Empfang des Deutschen Anwaltsvereins im Schloss Königsworth. Der letzte Tag des Moot-Courts begann für uns sehr zeitig. Bereits um 08:30 Uhr war für unser Beklagten-Team die letzte mündliche Verhandlung. Gegen Mittag gab dann Prof. Dr. Christian Wolff bekannt, welche Universitäten es in das Viertelfinale geschafft haben. Leider sind wir als Team-Viadrina nicht weitergekommen. Verloren haben wie dennoch nicht, denn gewonnen haben wir eine Menge Eindrücke, Erlebnisse, Bekanntschaften und vor allem Erfahrungen, die uns in unserem weiteren juristischen Studium sicher weiterhelfen werden! Die finale Gerichtsverhandlung wurde vor allen Teilnehmern im Foyer der Fakultät für Architektur und Landschaft ausgetragen. Es verhandelten das Team der Freien Universität Berlin gegen das Team der Leibnitz-Universität Hannover. Geleitet wurde die Verhandlung vom Präsidenten des Landgerichts Hannover. Völlig zurecht und verdient gewann die FU Berlin den diesjährigen Moot-Court. Von Chris Birla und Abdulkadir Jwamer