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Reisebericht zur Seminar-Abschlussfahrt

 

Gruppenfoto

 

                                    aus dem Hörsaal

Abschlussfahrt zum Seminar

Luhmann in Lecce: Recht, Wirtschaft und Politik in der Systemtheorie

ein Bericht von Nell Imbriani

 

 luhmannseminar_Plakat

Vom 26. März bis zum 1. April 2023 hat in Lecce, Italien, das Seminar „Luhmann in Lecce: Recht, Wirtschaft und Politik in der Systemtheorie“ stattgefunden. Teilgenommen haben Studierende der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt (Oder)), der École des Hautes Études en Sciences Sociales (Paris) und der Università del Salento (Lecce). Gemeinsam mit dem Freund, Übersetzer und Co-Autor Niklas Luhmanns, Professor Raffaele de Giorgi, wurde eine Woche lang die Systemtheorie Luhmanns in ihren unterschiedlichen Facetten ergründet.

Die Seminarwoche begann am Sonntagabend mit einem großen Willkommensabendessen, bei dem sich alle in gemütlicher Runde bei leckerem Essen, hauptsächlich bestehend aus örtlichen Spezialitäten, die häufig auf Kichererbsen basieren, kennenlernen konnten. Das Lokal liegt in Vernole, einem kleinen Ort in der Nähe von Lecce, in dem Professor de Giorgi aufgewachsen ist. Hier saß er oft mit Niklas Luhmann zusammen. Beim Essen erzählte uns ein italienischer Seminarteilnehmer die Geschichte des Zitronenbaums. Luhmann pflanzte ihn vor 30 Jahren im Garten seines Freundes in Vernole, doch mit seinem Tod hörte der junge Zitronenbaum auf zu wachsen. Manche empfanden dieses Geschehnis weniger als einen Zufall und vielmehr als ein Zeichen.

Am Montag trafen wir uns alle morgens früh und begannen den Weg in das Auditorium des Museums „Sigismondo Castromediano“. Getragen von Vorfreude und Spannung setzten wir uns und wurden zunächst vom Bürgermeister Carlo Salvemini und dem Direktor der juristischen Fakultät der Università del Salento Luigi Melica begrüßt. Der inhaltliche Teil des Seminars begann mit einem Vortrag von Professor Raffaele de Giorgi. Er erklärte uns einiges zur Systemtheorie und zu Niklas Luhmann selbst, denn um die Systemtheorie besser verstehen zu können, muss man auch deren Erfinder besser kennenlernen. Prägnant war eine Aussage, die sich über die Woche stets wiederholte: „Luhmann in Lecce war ein anderer als Luhmann in Bielefeld“.  Danach begannen im Wechsel die deutschen und französischen Vorträge, in denen unterschiedliche Aspekte der Systemtheorie dargestellt, erklärt und auch auf andere Themen übertragen wurden. Nach jedem Vortrag gab es eine Diskussion. Am Ende des ersten Tages merkte ich schon wie viele neue Eindrücke und wie viel Wissen noch auf mich zukommen würden, aber in dieser sympathischen Gruppe konnte man sich nur darauf freuen.

Am nächsten Morgen trafen wir uns direkt im Auditorium und im Wechsel wurde präsentiert und viel diskutiert. Am Nachmittag fanden wir uns auf der Piazza Sant`Oronzo zusammen und besichtigten unter kundiger Führung Lecce. Tourguide Francesco führte uns zu großen prächtigen Bauwerken, aber auch durch kleine gemütliche Gassen und erklärte uns vieles über die Entstehungsgeschichte, die Gebäude und die Lebensweise in Lecce. So kann man an unterschiedlichen Bauten, wie Kirchen, dem Dom, den ehemaligen Einfahrtstoren der Stadt, aber auch an normalen Wohnhäusern unschwer erkennen, dass dieser Ort im Laufe der Zeit von verschiedenen Mächten besetzt wurde und doch ist der Stil des italienischen, genauer des Lecceser, Barocks, der prägnanteste in der Stadt.

Mittwochmorgen fuhren wir mit dem Bus nach Otranto, eine kleine Stadt direkt am Meer, mit einer prächtigen Kathedrale in der die Geschichte der Region sehr beeindruckend zu sehen war, und einer byzantinischen Kirche inmitten von atemberaubendem Panorama, welches uns bei klarem Himmel und Sonnenschein erlaubte am Horizont die Berge Albaniens zu erspähen. Beflügelt von dem Ausflug durch die vielen kleinen Gassen präsentierten am Nachmittag weitere Studierende ihre Vorträge zur Systemtheorie.

Donnerstag wurden die restlichen Vorträge gehalten, und auch zwei von Professor de Giorgi eingeladene Gäste hielten Vorträge zur Systemtheorie.  Am Nachmittag fuhren wir nach Gallipoli, eine kleine Hafenstadt am ionischen Meer. Die schmalen Gassen untermalten die griechische Übersetzung des Namens Gallipoli eindrucksvoll: „schöne Stadt“. Am Abend fanden wir uns erneut dort zusammen, wo die Woche begonnen hatte, in Vernole, in dem kleinen eleganten Restaurant, welches uns wieder die Spezialitäten Apuliens kredenzte, dieses Mal auf Fischbasis. Mit herzlichen Danksagungen und vielen neuen Plänen für die Zukunft war ein Teil dieser Seminarwoche beendet.

Doch am Freitag ging es für die Studierenden der Viadrina mit einem intensiven Gespräch mit Professor de Giorgi weiter, in dem letzte Fragen zur Systemtheorie geklärt wurden, die im Laufe der Woche aufgekommen waren. Am Samstag trafen wir Viadrina-Reisenden uns zu einer abschließenden gemeinsamen Runde in der auf die Seminarwoche zurückgeblickt wurde.

Die freien Nachmittage und Abende wurden immer in großer Gesellschaft verbracht, wir erkundeten Lecce am Abend beleuchtet vom Mond und den Straßenlaternen, kamen mit den Leuten aus Lecce und Umgebung ins Gespräch und entdeckten viele schöne Ecken, besonders im centro storico, der Altstadt, von Lecce und gemeinsam haben wir viele wirklich leckere Foodspots gefunden!

„Luhmann in Lecce war ein anderer als Luhmann in Bielefeld.“ Diese Aussage trug sich, wie bereits erwähnt, durch die Woche. Ich glaube, wir alle sind in Lecce auch ein wenig anders gewesen als zuhause, und zugleich denke ich, dass wir mit den vielen neuen Eindrücken, den neuen Freundschaften und dem ganzen neuen Wissen im Gepäck, jetzt immer einen Teil von Lecce in uns tragen werden und somit auch zuhause in gewisser Form und auf eine positive Art und Weise anders sind, als wir es vorher waren.

Die Geschichte des Zitronenbaums von Luhmann, warum erwähnte ich sie kurz am Anfang? Am Ende unserer Woche lief ich mit meinem Koffer eine mir noch unbekannte Straße entlang, Richtung Bahnhof. Wir hatten uns nun alle verabschiedet und von einer gewissen Melancholie getragen schaute ich mich ein letztes Mal in diesem malerisch schönen Ort um. Da erblickte ich einen Zitronenbaum, unglaublich voll mit knallgelben runden Zitronen, Anfang April… Ich hatte in der Woche einige Zitronenbäume gesehen, aber keiner hat auch nur im Ansatz so viele Früchte getragen wie dieser. Vielleicht war es nur ein Zufall, doch ich denke es war ein Zeichen, ein kleiner Gruß und der Glückwunsch zu einer erfolgreichen Seminarwoche.

Das Büro für Internationale Angelegenheiten hat das Seminar auf wunderbare Weise organisatorisch, ideell und nicht zuletzt finanziell unterstützt. Dafür geht ein besonderer Dank an Maria Krug-Firstbrook, Alexandra Klecha und das ganze Team!