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Ausgewählte Themen zum Studienschwerpunkt "Anwaltliche Tätigkeit"

Verhandlung:
Verhandeln gehört zu den juristischen Grundfertigkeiten - nicht nur des Anwaltsberufs. Während die interdisziplinäre und praktische Beschäftigung mit "negotiation" an amerikanischen Eliteuniversitäten wie z.B. der Harvard University einen Schwerpunkt darstellt, finden sich in Deutschland bis auf die Bemühungen von Prof. Haft in Tübingen nur wenige Ansätze. Immerhin hat an der Viadrina bereits ein von den Teilnehmern hoch bewerteter Workshop "Verhandeln" stattgefunden.

Mediation:
Durch die Änderung der Berufsordnung 1997 gehört Mediation nunmehr zum Berufsbild des Rechtsanwalts. Das bedeutet, dass Anwälte bereits jetzt sowohl in ihrer klassischen Rolle als Parteivertreter als auch als Streitmittler (Mediatoren) tätig werden. Allein im Bereich Trennung/Scheidung gibt es in Deutschland bereits 500 ausgebildete Anwaltsmediatoren. Die Konsequenz des neuen Berufsbildes ist, dass jeder Anwalt, insbesondere jeder neu zuzulassende Anwalt, über Kenntnisse der Mediation verfügen muss. Nicht nur die BRAK, sondern auch der Ausschuss der Justizministerkonferenz zur Koordinierung der Juristenausbildung fordert die Universitäten auf, Mediation als Praxisbezug und Erweiterung der Sicht auf Recht in das Studium einzuarbeiten. Die Juristische Fakultät der Europa-Universität Viadrina war die erste in Deutschland, die überhaupt bereits ein praktisches Training in Mediation angeboten hat (Workshop Breidenbach/Nelle im WS 1997/98) und dies in der Familienrechtsvorlesung theoretisch reflektiert.

Problemlösung, Entscheidungsfindung und professionelles Urteil
Eine Reihe von Disziplinen wie z.B. Spieltheorie, Entscheidungstheorie oder die Kognitionspsychologie haben die Basis für ein besseres Verständnis von Entscheidungsprozessen in Komplexität gelegt. Die praktische Tätigkeit des Juristen ist von Problemlösung und Entscheiden wesentlich geprägt. Das professionelle Urteil wird täglich und meist unter Zeitdruck in einer Vielzahl von Situationen verlangt. Die von der Wirtschaftswissenschaft erarbeiteten Erkenntnisse zur Struktur von Entscheidungsfindung sind jedoch in der Ausbildung des Juristen praktisch nicht enthalten. Sie werden allenfalls in der Praxis auf Kosten der Mandanten gelernt.
Der Gegensatz zwischen den vorbereiteten Sachverhalten von Fällen in der universitären Ausbildung und den realen Problemkonstellationen, mit denen der Anwalt konfrontiert wird, könnte nicht größer sein. In der Praxis werden eine Vielzahl weiterer Fähigkeiten vom Anwalt erwartet. Neben Verhandeln und Vermitteln sind das insbesondere:

  • Beratung:
    Dass ein Mandant zum Rechtsanwalt geht, bedeutet nur, dass er sein Problem als rechtlich geprägt ansieht. Fast immer geht es jedoch darum, rechtliche Erwägungen in eine ganze Bandbreite von geschäftlichen, strategischen, persönlichen oder politischen Faktoren zu integrieren. Hier ist Entscheidungsfindung unter Komplexität und nicht bloß rechtliche Subsumtion gefragt. Vor allem die sorgfältige Sachverhaltsermittlung, Risikoanalyse und die Erarbeitung differenzierter, hochauflösender Interessenprofile - was im Übrigen auch in der Mediation eine entscheidende Rolle spielt - sind hier wichtig. Gerade die sozialpsychologische und kognitionspsychologische Forschung haben gezeigt, wie und warum reale Entscheidungsfindung vom theoretischen Modell des rationalen Verhaltens abweicht. "Loss aversion" oder "reactive devaluation" sind Wahrnehmungsfallen und Kooperationsbarrieren, die Verhandlungen behindern. Sie zu kennen heißt, besser mit ihnen umgehen zu können.

  • Transaktionsgestaltung und Organisation:
    Häufig werden in der anwaltlichen und allgemein juristischen Tätigkeit Beziehungen neu definiert (Familie, Unternehmen etc.), Prozesse strukturiert und Organisationen geplant. Organisationstheorie, Erkenntnisse der Gruppendynamik und ökonomische Forschung, z.B. principal/agent-Probleme, "adverse selection" oder "moral hazard", ergänzen die praktischen Fähigkeiten von Anwälten.

  • Transparenz und Kommunikation:
    Der Mandant erwartet in komplexen Situationen klare und kreative Optionen, Empfehlungen und Handlungsanleitungen. Im Gegensatz zur juristischen Fachsprache des Schriftsatzes - wo im Übrigen Klarheit noch nie geschadet hat - ist hier die Aufarbeitung der Rahmenbedingungen der Entscheidung in einer klaren, nicht fachlastigen Sprache gefordert.

Rechtsgestaltung:
Im Vordergrund der universitären Ausbildung steht die Rechtsanwendung. Gesetzliche Regelungen werden auf den konkreten Sachverhalt angewendet. Vertragsgestaltung als ein Akt privatautonomer Rechtsgestaltung führt dagegen ein Schattendasein. Das strukturierte Vorgehen bei der Vertragsgestaltung, insbesondere die sorgfältige Interessenermittlung und die Gestaltungsprinzipien in zentralen, häufig durch Vertragsrecht bestimmten Rechtsgebieten (z.B. Familienrecht, Unternehmenskauf oder Gesellschaftsrecht) gehören zu den wichtigsten Berufsgrundlagen des Anwalts. Hier ist das Wissen um die Gestaltungsmöglichkeiten verbunden mit der Fähigkeit, im konkreten Fall die passende, interessengerechte Kombination von Regelungselementen zu wählen, notwendig.

Berufsrecht und professionelle Ethik:
Berufsrechtliche Aspekte stehen hier nicht im Vordergrund, da in dieser Hinsicht die Institute für Anwaltsrecht berufener sind. Dennoch liegt hier die Schnittstelle zur Ethik der Berufsausübung. Viele reale Situationen sind gleichzeitig Herausforderungen an die eigene professionelle Ethik. Wie sind Interessenkonflikte zu bewältigen? Welche Mandantenvorhaben im grauen Bereich lassen sich noch unterstützen? Wo ist die Grenze in Verhandlungen "mit allen Tricks"? Die Berufsethik des Juristen, sein berufliches Selbstbewusstsein und Selbstverständnis, wird - wenn überhaupt - nur an den Schrecken und Verfehlungen des Dritten Reichs, nicht jedoch an den täglichen Fragen thematisiert.