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Grundrechte zwischen Nationalstaat und Globalisierung

Tagung an der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/O.) am 01. und  02.03.2012

 

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Prof. Dr. Bartosz Makowicz (Lehrstuhl für polnisches öffentliches Recht) lud gemeinsam mit Prof. dr hab. Mirosław Wyrzykowski  (Lehrstuhl für Menschenrechte, Universität Warschau) zu einer hochkarätig besetzten Konferenz und die Besucher sind zahlreich (über 100 Besucher)  ins Collegium Polonicum in Słubice gekommen. Nach der Begrüßung durch die Gastgeber und zahlreiche Ehrengäste stellte Prof. Makowicz den Ausgangspunkt, die Ziele und den Verlauf dieses internationalen rechtsvergleichenden Projekts dar. Thematisch sollte an diesen beiden Tagen zum einen die Frage behandelt werden, ob die deutsche und polnische Grundrechtslehre auf gemeinsamen, vielleicht universalen oder zumindest europäischen Traditionen entsprechenden Grundwerten beruht, und zum anderen, wie die Verfassungsgerichte in Deutschland und Polen mit dem Problem des Schutzes von Menschen- und Grundrechten auf mehreren Ebenen und durch verschiedene Gerichte (nationale Verfassungsgerichte, EuGH, EGMR) umgehen. Insgesamt gehe es um die Frage, ob Grundlagen der polnischen und deutschen Grundrechte und Verfassungsordnung gemeinsame Wurzeln seien und inwieweit die Verfassungsgerichte Verantwortung für die globale Entwicklung trügen.

Das erste Panel war dem institutionellen Grundrechtsschutz gewidmet. Es wurde durch Prof. Dr. Christoph Degenhart (Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht, Universität Leipzig) moderiert, der beginnend mit dem Lüth-Urteil die Entwicklung der Grundrechtsprechung in Deutschland aufzeigte. Das Verständnis der Grundrechte als objektive Werteordnung bedeute eine grundrechtliche Durchdringung aller Rechtsbereiche.

Prof. dr hab. Andrzej Rzeplinski (Präsident des polnischen Verfassungstribunals) ging der Frage nach, inwieweit das Verfassungstribunal allein Hüterin der Verfassung sein könne. Verfassungsrechtliche Verantwortung trage jeder Fachrichter, auch und gerade in der ersten Instanz. Dies werde u.a. durch den Landesrat der Gerichtsbarkeit sicher gestellt. Auch die höchste Kontrollkammer, der Bürgerrechtsbeauftragte sowie der Landesrat für Rundfunk und Fernsehen hätten über die Einhaltung der Grundrechte zu wachen. Eine wichtige Rolle spiele neben dem Präsidenten auch der Staatsgerichtshof. Letztlich könne auch das Volk als Souverän über die Einhaltung der Grundrechte entscheiden, indem es an Wahlen und Abstimmungen teilnehme. Er erinnerte daran, dass das Verfassungstribunal seine Arbeit schon zu kommunistischen Zeiten aufgenommen habe, damals aber unter toxischen Bedingungen.

Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Bundesministerin der Justiz a.D.) stellte die Sicht einer Politikerin auf das BVerfG dar. Sie betonte, dass sich das Wahlverfahren der Richter mit dem Erfordernis einer 2/3-Mehrheit in Bundesrat und Bundestag bewährt und bisher eine hohe Qualität der Rechtsprechung sichergestellt habe. Da die Macht von Politikern in Exekutive und Legislative stets die Tendenz zur Ausuferung habe, müsse die Verfassungsrechtsprechung diese beschränken und das BVerfG habe seine Rolle als Hüter der Verfassung stets souverän wahrgenommen. Die Politik ordne sich der Rechtsprechung unter, was nicht in allen Ländern der Fall sei.

Prof. dr hab. Pasquale Policastro (Lehrstuhl für Verfassungsrecht, Universität Stettin) wies auf Unterschiede zwischen den europäischen Ländern hin. Anhand von zwei Beispielen deutscher und italienischer Gerichtsurteile, welche sich beide mit der Staatshaftung für Gesundheitsschäden durch atomare Strahlenbelastung beschäftigten, hob er die besondere Bedeutung der verfassungsrechtlichen Determination des gerichtlichen Verfahrensrechts hervor. Dies erstrecke sich insbesondere auch auf Beweislastregeln.

Prof. Dr. Franz C. Mayer, LL.M. (Yale) (Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Universität Bielefeld) stellte die in der Öffentlichkeit oft vollzogene Gleichsetzung von Grundrechten mit der Verfassung dar. Das BVerfG sei zwar aus historischen Gründen als Hüter der Verfassung installiert, sein Zugriff auf die europäische Einigung sei aber nicht immer zu begrüßen. Zwar habe das BVerfG nach der Ablehnung des Grundrechtsschutzes in der Solange-I-Entscheidung nach der Anerkennung des Grundrechtsschutzes durch den EuGH in der Solange-II-Entscheidung den EuGH sogar als gesetzlichen Richter in bestimmten Fällen anerkannt. Insgesamt sei die Rechtsprechung des BVerfG im Rahmen der europäischen Einigung wegen ihrer Inkonsistenz aber zu kritisieren. Alle Europarechtlicher seien sich einig, dass die Ablehnung eines Letztentscheidungsrechts des EuGH durch das BVerfG dem Unionsrecht widerspreche.

Das Abendprogramm wurde durch „Pianistische Grenzgänge“ des hervorragenden Pianisten Sören Gundermann eingerahmt. Nach der Verlesung eines Grußwortes der Staatsministerin im auswärtigen Amt, Frau Cornelia Pieper (Polen-Beauftragte der deutschen Bundesregierung) wurde unter der Moderation von Dr. Gunter Pleuger (Präsident der Viadrina-Universität Frankfurt/O.), dem ehemaligen Leiter des Auswärtigen Amtes und deutschen Botschafter bei den Vereinten Nationen, eine Paneldiskusson zum Thema „Vom Wert der Freiheit und der Notwendigkeit sie zu schützen“ angeboten. Dr Marek Prawda (Botschafter der Republik Polen in Deutschland), Rüdiger Freiherr von Fritsch (Botschafter der Bundesrepubik Deutschland in Polen) und Wolfgang Templin (Heinrich-Böll-Stiftung, Warschau) diskutierten über die Bedeutung der Freiheitsbewegungen in Polen und der DDR für die europäische Einigung und die Verwirklichung der Menschenrechte in Mitteleuropa. Aufgrund der Bedeutung der Schlussakte von Helsinki für den Erfolg der polnischen und anderer Freiheitsbewegung wurde die Hoffnung ausgedrückt, dass internationale Verträge auch heute den Menschen in unterdrückten Ländern zur Freiheit verhelfen können. Der Konflikt zwischen der Verwirklichung von Menschenwürde und Freiheitsanspruch der Individuen und dem Erfordernis, geltendes, diesen Zielen entgegen stehendes Recht befolgen zu müssen, lasse sich durch allgemeingültige Regeln wohl niemals ganz auflösen.

Der Auftakt des nächsten Konferenztags war dem Problem der Globalisierung der Grundrechte gewidmet. Prof. dr hab. Andrzej Wróbel (Richter am Verfassungstribunal) ging der Frage nach, inwieweit ein Dialog der Gerichte eine Antwort auf bestimmte Systemkollisionen zwischen europäischer und nationalstaatlicher Ebene sein könne. Globalisierung sei ein offener Prozess und kein feststehender Effekt. Zwar seien die Wirkungsmechanismen des geltenden europäischen und internationalen Rechts noch nicht abschließend geklärt. Es gelte aber der Grundsatz, dass jeder Hoheitsträger sein eigenes Recht anzuwenden habe. Ein wirklicher Dialog zwischen dem EuGH und der mitgliedsstaatlichen Verfassungsgerichtsbarkeit sei damit in der Regel ausgeschlossen, da der Konflikt sich ausschließlich auf die Zuständigkeit beziehe. Dies zeigten die jüngsten Konflikte zwischen dem ungarischen Verfassungsgericht und dem EuGH. Das polnische Verfassungstribunal und das deutsche BVerfG hätten sich dahingehend eher darauf beschränkt, Rauchzeichen zu senden und die Zuständigkeit abzugrenzen.

Henning Glaser (DAAD-Professor, Leiter des CPG, Bangkok, Thailand) widmete sich der Globalisierung der Menschenrechte von einer asiatischen Perspektive: Er ging dabei von der Frage aus, inwieweit Menschrechte per se universal seien oder dazu nur erklärt würden. Über den Konsens hinaus, dass es wohl einen minimalen Kernbestandteil unantastbarer Menschenrechte gebe, das normative Verständnis sowie die sozio – politischen Bedingungen in der unterschiedlichen Ländern Asiens von den Regimen eines rechtlich institutionalisierten Grundrechtsschutzes westlicher Prägung jedoch deutlich unterscheidbar seien. Nicht einem essentialistischen Kulturalismus, wohl aber einer anderen Architektur normativer Ordnung und einer anderen Gestalt und Funktionsweise der jeweiligen Rechtssysteme seien wesentliche Unterschiede geschuldet. Ungeachtet der Tatsache, dass nahezu alle Verfassungen Asiens Grund- und Menschenrechte ähnlich garantierten wie westliche Verfassunegn es tun, seien die entsprechenden Verfassungskataloge eher abstrakte Beschreibung einer idealen Gesellschaft, als subjektive Rechtspositionen des Bürgers und auch in diesem Sinne viel weniger konkrete Utopie sozialer Gestaltung als dies die westliche Geschichtserfahrung bestimmt habe. In der Tendenz seien „westliche“ Herrschaftssysteme stärker durch eine universalistische Verfassung als Rechtsnorm integriert als dies in asiatischen Ländern der Fall sei. Hier herrsche jenseits des Rechts indessen kein normatives Vakuum, sondern ein komplexer Raum multipler (maßgeblich auch nicht – rechtlicher) normativer Ordnungen, die ein Gesamtgefüge der Herrschaftsverfassung konstitutuierten, innerhalb dessen die Rechtsordnung anders operiere und andere Funktionen wahrnehme als dies im „Westen“ der Fall sei.  Ausdruck und Konsequenzen dieser Dispositionen für den Menschenrechtsschutz wurden anhand von Beispielen eingehend erörtert. Eine entscheidende Variable innerhalb der Rechtssystme selbst sei ferner die Institution des „Hüters der Verfassung“ , wobei insbesondere die Stellung und Funktionslogik der Verfassungsgerichte in den in einzelnen asiatischen Ländern sehr unterschiedlich sei und maßgeblich auch von Volumen, politischer Stärke und Struktur der jeweiligen Rechtsordnungen, einschliesslich des juristischen Theorie – Praxis – Gefüges, abhänge.

Prof. dr hab. Bogusław Banaszak stellte die historische Entwicklung und den Zusammenhang zwischen Globalisierung und Menschenrechten dar. Seiner Meinung nach könne die Übertragung der Kontrolle auf eine höhere Ebene auch dazu dienen, sich der Last der Verantwortung für die Menschenrecht zu entziehen. Unterschiedliche Probleme ließen sich aber nicht immer mit gleichen Ansätzen lösen. Das Verfassungsreferendum in Island sei ein gutes Beispiel für ein Volk,  welches sich auf die eigenen Traditionen und Interessen rückbesinne.

Prof. Dr. Dr. h.c. Siegfried Broß (Richter am BVerfG a.D.) sah als Ausgangspunkt der Diskussion über die Globalisierung der Menschenrechte das Menschenbild. Das Bewusstsein der Menschen für Menschenrechtsfragen müsse weltweit durch ein Einwirken auf die Rahmenbedingungen wie Armutsbekämpfung, Kampf gegen Unterernährung und Sicherstellung medizinischer Versorgung gestärkt werden. Auch das BVerfG habe sich, z.B. in den Urteilen Lüth und Elfes, zunächst der Bedeutung der Grundrechte als objektive Wertordnung zur Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und Würde und erst später den aus der Menschenwürde weiter abgeleiteten Leistungs- und Teilhaberechten gewidmet. Nach aktuellem Verständnis treffe den Staat eine Verpflichtung zur Einwirkung im Hinblick auf annähernd gleiche Lasten- und Wohlstandsverteilung. Die weitere Evolution der Verfassungsgerichte in anderen Ländern sei unabdingbar für den Schutz der Menschenrechte. Kein Staat dürfe sich durch den Verweis auf eine höhere (z.B. europäische) Ebene der eigenen Verantwortung für den Grundrechtsschutz entziehen.

Unter der Moderation von Prof. Dr. Helmut Siekmann (Lehrstuhl für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/M.) widmete sich das nächste Panel der Gegenüberstellung von Freiheit und Sicherheit. Wojciech Hermeliński (Richter am Verfassungstribunal) stellte fest, dass sich das polnische Verfassungstribunal in der Vergangenheit oft dem Problem von Grundrechtseinschränkungen zum Zweck der angeblichen Verbesserung der Sicherheit habe widmen müssen. Dabei gehe es um den materiellen Grundrechtsschutz, aber auch um die Absicherung durch prozessuale Regelungen. Besonders problematisch sei, dass der strafprozessuale Gesetzgeber oft Rechtsgrundlagen für Eingriffe in Persönlichkeitsrechte ohne genaue Benennung der Voraussetzungen und der verfahrensmäßigen Absicherung schaffe. In Polen seien immerhin neun verschiedene Sicherheitsdienste, jeder mit eigenen Aufgaben nebeneinander tätig.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Winfried Hassemer (Richter im BVerfG a.D.) stellte die These auf, dass Deutschland sich zu einer Sicherheitsgesellschaft entwickelt habe, in welcher das Strafrecht unter Vernachlässigung des Vergeltungsgedankens nur noch präventiven Zwecken diene. Beispiel dafür sei die Schaffung einer Eingriffsgrundlage im Bereich der Vorratsdatenspeicherung, welche entgegen jeglicher bisheriger Auffassung ohne jeden Verdacht eingesetzt werden könne. Außerdem habe sich in  Deutschland ein Feind-Strafecht entwickelt, welches bestimmte (terroristische) „Gefährder“ dem normalen Straf-(prozess-)recht entziehe. Der Ansatz, sie anders als „normale“ Kriminelle zu betrachten, sei in grundrechtlicher Hinsicht höchst bedenklich. Schließlich wies er darauf hin, dass das Datenschutzrecht sich, in Abkehr von dem Gedanken des Schutzes vor staatlicher Datenverarbeitung, immer mehr zu einem Problem privater Unternehmen entwickele. Der Staat ziehe sich hier in zu kritisierendem Umfang zurück und überlasse den Rechtsschutz eher Institutionen wie dem Chaos-Computer-Club.

Prof. Dr. Heinrich-Amadeus Wolff stellte Freiheit und Sicherheit als Schwerpunkte staatlicher Ordnung dar, welche sich zwar nicht zwingend ausschlössen, aber dennoch in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen seien. Maßgeblich sei, dass nach herkömmlicher Dogmatik die Grundrechte zwar als Abwehrrechte konzipiert seien, den Staat aber zur Sicherstellung der Sicherheit seiner Bürger auch daraus abgeleitete Schutzpflichten träfen. Einen anderen Weg gehe hier die EMRK, welche ein Recht auf Sicherheit ausdrücklich vorsehe. Die politische Diskussion sei zu stark auf Kompetenzen bezogen. Die auf materielle Fragen bezogene, bewährte  Sicherheitsarchitektur Deutschlands sei aus den Fugen gebracht. Während früher hinsichtlich der Eingriffsgrundlagen klar zwischen polizeilicher und nachrichtendienstlicher Prävention auf der einen und strafrechtlicher Repression auf der anderen Seite getrennt wurden, sei diese Aufteilung immer weiter verschoben worden. Dahinter stünde aber nicht ein neues Konzept, sondern einfach nur die kompetenzrechtliche Auseinandersetzung zwischen Behörden. Daneben müsse ohnehin noch die Frage der Kompetenz im föderalen Staatsaufbau gelöst werden.

In der abschließenden Runde widmeten sich unter der Moderation von Prof. dr hab. Miroslaw Wyrzykowski (Lehrstuhl für Menschrenrechte, Universität Warschau) drei ehemalige Präsidenten der Verfassungsgerichte der Tragweite der polnischen und deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit in der europäischen Union. Prof. em. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier stellte die Europäisierung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit dar. Die Rolle des BVerfG bei der Individualisierung des Grundrechtsschutzes sei als Erfolgsgeschichte zu qualifizieren. Seine Entthronung aufgrund europäischer Entwicklungen stehe auf absehbare Zeit nicht an. Es sei aber ein koordinierter, kooperativer und komplementärer Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene anzustreben. Das Verhältnis zum EGMR sei von einer Konkretisierung noch weit entfernt, mit dem EuGH habe sich aber ein sinnvoller modus vivendi ergeben. In der Rechtsprechung des BVerfG sei geklärt, dass der Schutz deutscher Grundrechte bei der Anwendung sekundären, nicht primären Unionsrecht geprüft werden dürfe, allerdings nur hinsichtlich der Frage, ob Unionsakte die Kompetenzen der Union einhielten. Nach den Urteilen Solange I und Solange II gipfelte die Zurückhaltung in der Feststellung, dass Verfassungsbeschwerden gegen Unionsakte sogar unzulässig seien, solange die Beschwerdeführer nicht darlegen könnten, dass durch den europäischen Grundrechtsschutz der deutsche Standard unterschritten sei. Insgesamt könne die Kontrolle durch das BVerfG in diesem Bereich nur dort eingreifen, wo der Unionsgesetzgeber dem deutschen Gesetzgeber einen Umsetzungsspielraum belassen hat. Die Feinabstimmung zwischen Straßburg, Luxemburg und Karlsruhe müsse in diesem Sinne noch weiter fortgeschrieben werden.

Frau Prof. Dr. Jutta Limbach (Präsidentin des BVerfG a.D.) unterstrich die große Bedeutung von Projekten wie dieser Konferenz. Der Grundrechtsschutz im Mehrebenensystem sei zwar nie identisch, aber gleichwertig. Konkurrenz belebe das Geschäft und es sei festzustellen, dass der EuGH seinen Grundrechtsschutz seit der Solange I Entscheidung ganz erheblich verbessert habe. Quintessenz der Maastricht-Rechtsprechung sei, dass der Demokratiegedanke erhalten und gestärkt werden müsse. Sie hob das Kooperationsverhältnis zwischen dem polnischen Verfassungstribunal und dem deutschen Verfassungsgericht sowie die gestiegene Verantwortung beider Länder für die europäische Einigung hervor.

Prof. dr hab. Andrzej Zoll erinnerte daran, dass das Verfassungstribunal bereits im Jahr 1987 entstand, als in Polen an jegliche europäische Integration noch nicht zu denken war. Dies sei durch die Schwächung des Kommunismus aufgrund der Solidarność-Bewegung zu erklären gewesen, die Entscheidungen seien aber oft durch 2/3-Entscheidungen des Sejms aufgehoben worden. Grundlage der Entwicklung des Prinzips des demokratischen Rechtsstaats in der Rechtsprechung des Verfassungstribunals sei der Gedanke des grundsätzlichen Gesetzesvorbehalts gewesen, welchen die Verfassung von 1952 allerdings gar nicht enthielt. Der EU-Beitritt wurde durch ein Referendum beschlossen; die Zulässigkeit wurde später auf Antrag durch das Tribunal überprüft. Nach polnischem Verfassungsrecht ist die Verfassung die höchste Rechtsquelle und das Unionsrecht genießt nach den Bestimmungen der Verfassung grundsätzlich keinen Vorrang. Die Zustimmungsgesetze zum Lissabon-Vertrag wurden ebenfalls überprüft. Hier wurde kritisiert, dass im Rahmen der nun statthaften Mehrheitsbeschlüsse im Rat gegen Polens Stimme EU-Recht beschlossen werden könne.  Das erachtete das Tribunal aber für einen nur hypothetischen Fall, der ja noch gar nicht eingetreten sei, und erklärte zumindest das Zustimmungsgesetz zum Lissabon-Vertrag für verfassungsgemäß. Das Tribunal halte sich zwar für befugt, Sekundärakte der Union auf ihre Vereinbarkeit mit der polnischen Verfassung zu überprüfen. Solange der Verfassungsbeschwerdeführer allerdings nicht aufzeige, dass das Niveau des Grundrechtsschutzes in der Union gegenüber dem Grundrechtsschutz in Polen zurück bleibe, seien solche Verfassungsbeschwerden unzulässig (Urteil vom 16.11.2011, Gz. SK 45/09). Welche Konsequenzen eine Unvereinbarkeit von Unionsakten mit der polnischen Verfassung aber hätte, sei dann im Einzelfall zu klären. Möglicherweise sei der Rechtsakt in Polen nicht anwendbar, was dann aber wohl nicht der Rechtsprechung des EuGH entspreche; vielleicht müsse Polen dann aus der EU austreten.

Insgesamt zeigten schon die Prominenz der Referenten und Teilnehmer sowie auch die hohe Besucherzahl, dass die Konferenz als besonders herausragend einzuschätzen ist. Unter dem Einfluss von Prof. Dr. Bartosz Makowicz rückt das Collegium Polonicum immer weiter in das Interesse der Fachwelt. Alle Referenten betonten die große Bedeutung, welche der Dialog polnischer und deutscher Verfassungsrechtler für die weitere gemeinsame europäische Entwicklung hat.