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Erfahrungsbericht vom Soldan Moot Court 2016


„Wie geht Anwalt?“

Am Anfang stand die Frage: „Wie geht Anwalt?“ Zu deren Beantwortung maßgeblich beigetragen hatte die gleichnamige Veranstaltung von Prof. Dr. Oliver L. Knöfel am 17./18. Juni 2016, die den Erwerb einer Schlüsselqualifikation im anwaltlichen Berufsrecht ermöglichte, und die wir mit großem Interesse besuchten. Dort haben wir uns erstmalig mit der Gesamtheit berufsregelnder Vorschriften beschäftigt, insbesondere mit der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA), überhaupt mit dem Rechtsrahmen des – jedenfalls aus studentischer Sicht – nur oberflächlich bekannten, doch unglaublich vielfältigen Berufsbildes des Rechtsanwalts.

Über grundlegende Fragen des Berufsrechts und dessen Prinzipien hinaus war die Anwaltschaft – ihre Organisation, der Zugang zu ihr und die Modalitäten der Selbstverwaltung – Gegenstand des zweitägigen Seminars. Vor allem die zahlreichen praxisnahen Fragestellungen, die sich nicht mit der bloßen Lektüre berufsrechtlicher Vorschriften beantworten lassen, weckten nachhaltig unser Interesse: Wie verhalte ich mich als Anwalt – als niedergelassener Anwalt uoder als Syndikusrechtsanwalt? Im Kontakt mit dem Mandanten, dem Gegenanwalt und dem Gericht? Wie ist das Verhältnis zwischen Berufsrecht und Berufsethik? Dies alles erlebten wir als spannende Fragestellungen, die von vier Impulsvorträgen von erfahrenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die Herr Knöfel nach Frankfurt eingeladen hatte, noch zusätzlich anschaulich gemacht wurden. Große Wirtschaftssozietäten aus Deutschland und Polen waren ebenso vertreten wie örtliche Anwaltskanzleien aus Frankfurt.

Und es war ebenfalls im Rahmen der Veranstaltung, dass wir vom Soldan Moot 2016 gehört haben. Erste Einblicke ins anwaltliche Berufsrecht hatten wir bereits gewonnen; nun galt es, einen Schritt weiter zu gehen: Es war Zeit für die anwaltliche Berufspraxis.

 

Zum Ablauf

Der Soldan Moot gehört als sog. moot court zu den verfahrenssimulierenden Veranstaltungen, die neben dem Studium stattfinden. Ausgangspunkt ist ein fiktiver Fall, der anhand einer so realitätsgetreu wie möglich gestalteten Akte (Ausgabetermin war der 25. Juni 2016) bearbeitet wird. Der Soldan Moot besteht aus einer Vorbereitungs- und Verhandlungsphase. Nach der Anmeldung des Teams zum Wettbewerb am 28. Juli 2016 (Team Viadrina!), das grundsätzlich aus vier Teilnehmenden besteht, sind als Aufgabe sukzessiv zwei Schriftsätze zu verfassen und einzureichen: einmal auf Klägerseite anhand der ausgegebenen Fallakte (in unserem Falle: Replik, einzureichen bis zum 4. August 2016, 24:00 Uhr), und einmal auf Beklagtenseite als Erwiderung auf einen klägerischen Schriftsatz, der von einem anderen Teilnehmerteam verfasst und anonymisiert an uns weitergeleitet wurde (in unserem Falle: Duplik, einzureichen bis zum 8. September 2016, 24:00 Uhr). Diese schriftliche Phase diente der Vorbereitung auf den eigentlichen Kern des Moot Court – die mündlichen Verhandlungen in Hannover mit jeweils zwei Kläger- und Beklagtenvertretern gegen vier andere Teams.

 

Schriftsätze

Gleich zu Beginn muss man jegliche, aus bisheriger Lernerfahrung herrührende Befangenheit ablegen. Der bekannte Sachverhalt und seine gutachterliche Würdigung entfallen. Der Einblick in die anwaltliche Berufspraxis bedeutet: Denken und Handeln wie ein Anwalt.

So galt es zunächst, aus den Materialien der ausgegebenen Fallakte einen homogenen Sachverhalt herauszuarbeiten. Einfach war dies nicht, denn eine Akte besteht aus verschiedenen, realitätsnah gestalteten Dokumenten, die das Geschehene nur punktuell und oft einseitig wiederspiegeln. Erst wenn man denn Sachverhalt erarbeitet hat, holt man das „klassische“ Werkzeug der Juristen heraus – das Gesetz und die Rechtskenntnis. Den Gutachtenstil haben wir zügig ad acta gelegt; ein guter Schriftsatz ist parteiisch und überzeugt mit juristischer Argumentation.

Wir konnten uns aber schnell auf die neuartige Herangehensweise einstellen, nicht zuletzt wegen der Unterstützung unserer Teamcoaches und wissenschaftlichen Mitarbeiter am betreuenden Lehrstuhl, David und Oscar, und schließlich dank des Feedbacks von Herrn Knöfel. Abgesehen von den regelmäßig stattfindenden Treffen im Team beschäftigten wir uns mit dem Fall auch nach den Bib-Sessions, tauschten Eindrücke und Auffassungen aus und versuchten uns bestmöglich für unsere „Mandanten“ einzusetzen. Wie Anwälte eben!

 

Vorträge

Als die Schriftsätze fertigverfasst waren, näherten sich langsam die Termine für die mündlichen Verhandlungen in Hannover, und gleichzeitig wuchs unsere Aufregung vor dem öffentlichen Vortragen. Doch auch an dieser Stelle erhielten wir Unterstützung vom Lehrstuhl: Einzelcoaching zu ausgewählten Themen sowie eine ganze Probeverhandlung unter realitätsgetreuen Bedingungen, bei denen uns auch weitere Dozenten der Fakultät unterstützende Tipps mit auf unseren Weg gaben. Im Nachhinein müssen wir feststellen, dass dies der komplizierteste Part der Vorbereitungsphase war, da man sich auf Unbekanntes gefasst machen musste: die gegnerischen Teams und ihre Argumentation.

 

Hannover

Am 6. Oktober 2016 ging es endlich nach Hannover. Nach den wochenlangen Vorbereitungen waren wir bereits ein eingespieltes Team. Es ging mit der Bahn über Berlin nach Hannover, die Fahrkarten mussten wir nicht selbst bezahlen. In Hannvoer waren wir in einem Hostel untergebracht; und auch für Kost und Logis kam die Universität auf. In der Leibniz-Universität Hannover wartete auf die Teams bereits das einleitende Veranstaltungsprogramm  – Vorträge u.a. von Prof. Dr. Looschelders zu aktuellen Themen des anwaltlichen Berufsrechts und zum zu bearbeitenden Fall.

Noch am ersten Tag abends wurden die Teams zu einem Come-Together mit exzellenter Verpflegung für Leib und Seele eingeladen. Aus dem gelungenen Abend wurde jedoch keine Nachtveranstaltung, denn schon am nächsten Morgen (7. Oktober 2016) um 10:00 Uhr hieß es: Teams auf die Startpositionen – es wird verhandelt. In unserem ersten „Gerichtstermin“ verhandelten wir gegen das Team II der Universität Hamburg. Die Parteivertreter-Teams trugen ihre jeweiligen Standpunkte vor und versuchten, mit ihren Argumenten den Richter überzeugen und so die Sache für ihre Mandantschaft zu gewinnen. Die Verhandlung dauerte insgesamt über 45 Minuten. Für die Zuschauer und – vor allem – für uns Teilnehmende verging die Zeit wie im Fluge. Zum Schluss wurde uns Feedback gegeben. Das war für die weiteren Verhandlungen sehr hilfreich.

Einen ähnlichen Ablauf hatten dann auch die zweite und dritte Verhandlung des Tages, diesmal gegen die Teams aus Bonn und Halle (Team II). Besonders einprägsam war die Erkenntnis, dass die Verhandlungen – ihr Ablauf und die Atmosphäre – trotz aller Ähnlichkeiten zum hohen Maße von der Person des Richters geprägt waren. Ist der Richter wohlwollend? Wie ist sein persönlicher „Stil“? Welche Fragen werden wann gestellt? So waren es nicht lediglich die gegnerischen Teams, vor denen man sich „hüten“ musste. Das Ende des ersten Verhandlungstages rundete ein großes Grillfest auf dem Campus der Universität Hannover ab.

Am darauffolgenden Morgen (8. Oktober 2016) verhandelte unser Team gegen Team II aus Bielefeld. Dies war unsere insgesamt vierte und letzte Verhandlung. Die beiden finalen Wettbewerbsrunden fanden noch am selben Tag in den repräsentativen Sälen des Landgerichts Hannover statt. Als Siegerteams gingen die Kommilitonen aus Hamburg (Universität Hamburg Team I – erster Platz) und aus Hamburg (Bucerius Law School Team I – zweiter Platz) hervor. Daneben wurden Auszeichnungen für die besten Schriftsätze sowie die überzeugendsten mündlichen Einzelleistungen vergeben. Anschließend lud der Anwaltsverein Hannover zu einem Empfang.

 

Fazit

Unser Team gehörte dieses Jahr nicht zu den Siegern. Doch es ging um weitaus mehr als um einen Platz auf dem Siegertreppchen. Zwischen den aufregenden Verhandlungsphasen gab es reichlich Gelegenheit, neue Freundschaften zu schließen oder einfach nur im geselligen Beisammensein Erfahrungen auszutauschen. Größte Erkenntnis des Wettbewerbs: Zukünftige Anwältinnen und Anwälte haben mehr gemeinsam als nur die formelle Ausbildung – es ist die Idee von einer gerechteren Gesellschaft, an deren Verwirklichung wir uns als Rechtsanwälte beteiligen wollen. Insgesamt war der Soldan Moot 2016 organisatorisch, vom Niveau der teilnehmenden Teams und von der allgemeinen Stimmung her eine Veranstaltung, die sämtliche – ohnehin schon hohe – Erwartungen übertraf. Teilnahme dringend empfohlen!

 

Sophia Kannowsky und Moritz Breckwoldt

mit freundlicher Unterstützung von Oscar Szerkus