Banner Viadrina

Erfahrungsbericht Soldan Moot 2017

Der Rechtsanwaltsberuf ist der am häufigsten ausgeübte juristische Beruf von Absolvent*innen des rechtswissenschaftlichen Studiums. Wir Jurastudent*innen arbeiten gezielt darauf hin, mit dem zweiten Staatsexamen die „Befähigung zum Richteramt“ zu erhalten – das Tor auch zur Anwaltstätigkeit. Doch was genau beinhaltet diese Tätigkeit und wie kann ein „typischer“ Arbeitstag aussehen?

Fragen, die das Berufsbild des Rechtsanwalts betreffen, werden im Jurastudium regelmäßig nur gestreift. Der Hans Soldan Moot Court möchte genau dort einhaken und Studierenden die Möglichkeit bieten, eigene praktische Erfahrungen in Anwaltseigenschaft „vor Gericht“ zu sammeln und auf diese Weise einen Einblick in den Anwaltsberuf ermöglichen. Dieser Erfahrungsbericht soll Interessenten – den künftigen „Mooties“ – einen Überblick verschaffen, wie der Soldan Moot abläuft; gleichzeitig wird herzlich zur Teilnahme am kommenden, nunmehr 6. Soldan Moot eingeladen, der vom 10/11. – 13. Oktober 2018 stattfinden wird.

Der Hans Soldan Moot Court ist ein bundesweiter Wettbewerb, an dem alle deutschen juristischen Fakultäten teilnehmen können. Simuliert wird ein Gerichtsprozess vor dem Landgericht.

In der schriftlichen Vorbereitungsphase bekommen alle teilnehmenden Teams eine einheitliche Fallakte. Diese Fallakte ist Ausgangspunkt und Grundlage für die Arbeit im Team. Sie enthält alle relevanten Informationen für die „Mandatsbearbeitung“ und schildert zuerst einmal den Sachverhalt etwa anhand von E-Mail-Korrespondenz, Sachverständigengutachten, Gerichtsbeschlüssen und sonstigen mehr oder weniger streitrelevanten Dokumenten. Nachdem ein einheitlicher Sachverhalt aus der Akte gewonnen wurde, gilt es, einen Klägerschriftsatz zu verfassen.

Anwaltliche Schriftsätze bestehen vor allem aus einem dem Kläger- bzw. Beklagtenbegehren Rechnung tragenden Antrag, einem detaillierten Vortrag des tatsächlichen Sachstandes und einer anschließenden rechtlichen Würdigung dieser Geschehnisse. Nach Fertigstellung des klägerischen Schriftsatzes erfolgt die spiegelbildliche Bearbeitung des Sachverhalts anhand der Erstellung eines Beklagtenschriftsatzes.

Anders als bei der Fallbearbeitung im Studium sind die methodische Herangehensweise sowie die Arbeit mit der Fallakte und an den Schriftsätzen praxisorientiert. Als Mitglieder des diesjährigen Teams der Viadrina arbeiteten wir gemeinsam an beiden Schriftsätzen, indem wir kleinere Gruppen bildeten, die jeweils Teilaspekte der juristischen Recherche und Fallbearbeitung übernahmen. Wer nun denkt: „Sachverhalte analysieren, das macht man doch in jeder Klausur…“, der liegt falsch. Zum ersten Mal mussten wir uns Gedanken machen über relevante Aspekte des Sachverhaltes und wie wir diese beweisen können, über die taktisch sowie argumentativ überzeugende Verwertung der Akte zugunsten „unserer Mandantin“, schließlich aber auch über Tatsachen, die man besser nicht erwähnen sollte, da diese gar nicht so vorteilhaft sein könnten. Kurzum: Mit dem im Rahmen des Studiums sonst so üblichen Gutachten haben die zu verfassenden Schriftsätze kaum etwas zu tun.

Unser gesamtes Team traf sich wöchentlich, um die erarbeiteten Ergebnisse zusammenzutragen und über die rechtlichen Einschätzungen der anderen Teammitglieder zu diskutieren. Da der Soldan Moot speziell auf die anwaltliche Praxis ausgerichtet ist, kamen in der Fallakte auch berufsrechtliche, aus den regulären Vorlesungen kaum bekannte Probleme vor. Doch gerade darauf waren wir inhaltlich gefasst: dank der vorherigen Teilnahme an dem Seminar „Wie geht Anwalt“ von Prof. Dr. Knöfel, das gezielt als Vorbereitung auf den Soldan Moot angeboten wurde.

Nachdem beide Schriftsätze fertiggestellt waren und „bei Gericht“ eingereicht wurden, ging es nun an die konkrete Vorbereitung auf die mündlichen Verhandlungen in Hannover. Weiterhin trafen wir uns wöchentlich und traten uns als Kläger- und Beklagtenvertreter gegenüber. In zahlreichen realistischen Probeverhandlungen arbeiteten wir an unseren Argumentationen, an unserer Zusammenarbeit im Team und an unserem Auftreten, das mit jedem Termin souveräner, überzeugender und professioneller – eben „anwaltlicher“ wurde. Im Anschluss an jede Probeverhandlung analysierten wir die Vorträge in ausführlichen Feedbackgesprächen mit Prof. Knöfel und seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen Friederike Hartmann und Oscar Szerkus. Ebenfalls im Rahmen der mündlichen Vorbereitung fuhren wir nach Berlin an die Humboldt-Universität, um probehalber gegen ein uns unbekanntes Team zu verhandeln.

Zum Abschluss der Vorbereitungsphase teilten uns Prof. Knöfel und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen in Zweierteams auf, in denen wir auch in Hannover verhandeln würden: Monique und Dominik sollten die Klägerseite vertreten, Katja und Florian die Beklagtenseite.

Ehe wir uns versehen konnten, saßen wir am Morgen des 12. Oktober 2017 im ICE nach Hannover, dem Austragungsort des Hans Soldan Moot Court. Auf dem Conti-Campus der Leibniz-Universität Hannover fand zum Auftakt der drei spannenden Tage die Hannoversche Anwaltskonferenz statt. Neben Vorträgen namhafter Referent*innen zu fallrelevanten Themen standen auch die Eröffnungsrede von Prof. Wolf, dem Organisator des Soldan Moot, sowie ein Abendempfang in geselliger Atmosphäre auf dem Programm.

Am darauffolgenden Tag begann die „heiße Phase“. Nach unserer ersten Verhandlung am Freitagmorgen gegen ein Beklagtenteam der Bucerius Law School war die anfängliche Nervosität verflogen. Es folgte eine spannende Verhandlung gegen das uns bereits aus der Vorbereitungsphase bekannte Team der Humboldt-Universität zu Berlin. Aus den beiden Verhandlungen ließ sich viel Neues mitnehmen. Allerdings war das Verhandeln vor Richtern gegen unbekannte Teams nur eine der vielen Erfahrungen und Eindrücke, die wir sammeln konnten. An den gemeinsam verbrachten Tagen und Abenden, an denen für die Unterkunft in einem bequemen Hostel in der Innenstadt unweit des Austragungsortes seitens der Viadrina als auch für das leibliche Wohl seitens der Leibniz-Universität vollständig gesorgt wurde, kamen viele interessante Gespräche auf und es wurden Bekanntschaften mit Kommiliton*innen vieler Universitäten gemacht.

Die Enttäuschung darüber, dass unser Team dieses Jahr leider nicht das Viertelfinale erreichte, hielt nicht lange an, denn stattdessen konnten wir einen anderen Erfolg verbuchen: die Auszeichnung für den zweitbesten Beklagtenschriftsatz unter allen teilnehmenden Teams (punktgleich mit zwei weiteren Teams) – und das waren immerhin 29 aus 17 Universitäten.

Abschließend lässt sich nur ein Resümee ziehen. Es stimmt zwar: Die schriftliche Phase und das anschließende Pleading vor dem „Landgericht“ waren zuweilen zeitintensiv und stellten uns vor so manche juristische Herausforderung. Die Erfahrungen, die wir dabei machen konnten, waren jedoch einzigartig und für das Studium gewinnbringend. Die Teilnahme am Soldan Moot ist schließlich auch im Hinblick auf die anwaltliche Berufspraxis eine Chance, die dringend wahrgenommen werden sollte.

 

Monique Vollbrecht und Dominik Schäfer