Außerplanmäßige Professur für Alte Geschichte und Römische Verfassungsgeschichte
Ein paar Zeilen zum Abschied
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
ich möchte mich von Ihnen verabschieden. Mit diesem Wintersemester beende ich nach 26 Jahren nun auch meine Lehrtätigkeit für die Juristische Fakultät. Wie sollte es anders sein: Die Bilanz dieser vielen Jahre fällt recht gemischt aus. Seit der Wiedereröffnung unserer Universität wurde die Europäische und Römische Rechtsgeschichte sehr erfolgreich von meinem Mentor und Lehrer Prof. Roland Wittmann vertreten. Nach seiner Emeritierung hat mir die Fakultät die ehrenvolle Aufgabe übertragen, diese beiden Grundlagenveranstaltungen fortzuführen. Eine reizvolle Herausforderung für einen Althistoriker. Ich hoffe, dass wenigstens ein Teil der Studierenden diese Veranstaltungen zur Aneignung einiger rechtsgeschichtlicher Grundkenntnisse gewinnbringend nutzen konnte.
Auch wenn man als Hochschullehrer im Laufe der Zeit mit vielem zu rechnen hat, so war ich, trotz gelegentlicher Zweifel an der Sache selbst, erstaunt über das relativ hohe Interesse, das die Studenten über das bloße ‚Scheinmachen‘ hinaus vor allem der römischen Rechtsgeschichte entgegenbrachten. Es hat mir gezeigt, dass die Geschichte des Rechts als wichtiger Teilbereich europäischen Kulturguts keineswegs erledigt ist, wie das aus Kreisen der Kollegenschaft gelegentlich zu hören ist. Es bleibt freilich erklärungsbedürftig, wie man ohne rechtsgeschichtliche Grundkenntnisse ein erfolgreicher Jurist werden soll. Als ob es je eine autarke rechtsgeschichtliche Epoche gegeben hätte, „die allein aus ihren eigenen semantischen Beständen“ hätte leben können! So erfreulich die studentische Neugier und das Interesse auch waren, so musste ich gleichzeitig feststellen, dass inzwischen bei einem Großteil der Studierenden keine grundlegenden Geschichtskenntnisse mehr vorausgesetzt werden können. Wie soll aber Geschichte in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit eine immer wieder angemahnte Orientierungswissenschaft bleiben, wenn bereits den angehenden Abiturienten einfache Grundkenntnisse um die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur noch selektiv von einer postmodernen Pädagogik vermittelt werden, deren primäres Ziel die Verabschiedung vom emanzipatorischen Ideal der Aufklärung zu sein scheint und sie dies noch zusätzlich durch Diskreditierung der klassischen Bildung orchestrieren möchte? Und was die Rechtsgeschichte speziell betrifft, darf man mit dem Rechtshistoriker Michael Stolleis fragen, ob „wir tatsächlich Juristen wollen, die da glauben, das Recht komme aus dem Gesetzesblatt wie der Strom aus der Steckdose“? Mit anderen Worten: die Rechtsgeschichte sollte als unentbehrliches Grundlagenfach für den Staatsexamensstudiengang erhalten bleiben und gefördert werden.
In den ersten Jahren nach Einrichtung der Juristischen Fakultät hatten wir uns viel vorgenommen. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die immer wieder aufbrechenden Diskussionen über die Interdisziplinarität, die alle drei Fakultäten unserer Universität beherrscht haben. Der kürzlich neu eingerichtete Studiengang ‚Recht und Politik‘ scheint mir zu diesem Ziel ein guter Weg zu sein. Gewiss hat sich seit dem Beginn meiner Lehrtätigkeit im Wintersemester 1992/93 auch für die Juristische Fakultät nicht alles so entwickelt, wie man sich dies erhofft und vielleicht sogar erwartet hatte. Dennoch darf ich festhalten: die ersten Jahre meiner Lehrtätigkeit zählten sicherlich zu den spannendsten, die ich über ein Vierteljahrhundert an dieser Universität erleben durfte.
Für die Unterstützung und die stets gute Zusammenarbeit in all den Jahren an dieser Fakultät bin ich Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Präsidiums, des Dekanats und der Verwaltung zu gebührendem Dank verpflichtet.
Ihnen und der Viadrina wünsche ich ein vivat, crescat, floreat ad multos annos!
Andreas Graeber